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Haftung des Merchants für seine Affiliates - oder: Der Untergang des Affiliate-Abendlandes?
In den letzten Monaten haben zwei aktuelle Urteile für viel Aufsehen und Aufregung in der Affiliate-Szene gesorgt.
1. LG Hamburg: Keine Mitstörerhaftung des Merchants
Das LG Hamburg (Urt. v. 03.08.2005 - Az: 315 O 296/05) ist der Ansicht, dass ein Merchant für die Rechtsverletzungen seines Affiliates grundsätzlich nicht haftet.
Denn eine mögliche Mitstörerhaftung setze voraus, dass es dem Merchant technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sei, die Handlungen seiner Affiliates vorab zu kontrollieren. Dies sei aber bei der Merchant-Affiliate-Struktur grundsätzlich nicht der Fall.
Erst wenn der Merchant von der Markenverletzung Kenntnis erlange, sei der Merchant verpflicht zu handeln und auf die sofortige Beseitigung der Rechtsverletzung hinzuwirken. In concreto: Den Affiliate abzumahnen und ihn zur sofortigen Beseitigung zu verpflichten.
Eine weitergehende Verpflichtung treffe den Merchant, z.B. den Eintrag der verletzten Marke in eine Blacklist, um zukünftige Rechtsverletzungen von Beginn an auszuschließen, nur dann, wenn dies wiederum möglich und zumutbar sei.
Für diese Zumutbarkeitsprüfung trägt grundsätzlich der Kläger, der die Beseitigung der Markenverletzung begehrt, die volle Beweislast. Im Fall des LG Hamburg führte dies dazu, dass der Kläger verlor, weil er nicht nachgewiesen hatte, dass die begehrte Vorab-Kontrolle zumutbar war.
2. LG Köln: Mitstörerhaftung des Merchants
Vor kurzem hatte nun das LG Köln (Urt. v. 06.10.2005 - Az.: 31 O 8/05) einen ähnlichen Fall zu beurteilen und kam zum exakt gegenteiligen Ergebnis.
Die Kölner Richter sind der Ansicht, dass der Merchant für die Markenverletzungen seiner Affiliates haftet. Dadurch, dass der Merchant den Affiliate beauftrage, seien sämtlichen Handlungen des Affiliate dem Merchant zuzurechnen.
Das soll selbst dann gelten, wenn die Rechtsverletzung auf einer Webseite geschieht, die gar nicht beim Partnerprogramm angemeldet ist.
Diese Mitstörerhaftung wird auch nicht durch entsprechende vertragliche Regelungen zwischen Affiliate und Merchant ausgeschlossen. Auch wenn der Merchant ausdrücklich in seinen AGB bestimmt, dass der Affiliate fremde Rechte zu achten hat, so hat dies keinerlei Auswirkung auf die Mitstörerhaftung.
Das LG geht sogar noch einen Schritt weiter: Der Merchant soll verpflichtet sein, die relevanten geschützten Marken in einer Datei zusammenzufassen und dem Affiliate als Anhang zum Partnerprogramm-Vertrag zur Verfügung zu stellen.
Eine solche Empfehlung verkennt vollkommen die realen Gegebenheiten: Eine derartige Liste wäre keinesfalls überschaubar oder gar praktikabel, ganz im Gegenteil. Selbst wenn man die Listen nach Waren und Dienstleistungen unterteilen würde, würde unproblematisch schnell eine fünf- oder sechsstellige Anzahl von Marken zusammenkommen. Zudem müsste der Merchant die Liste stets auf dem aktuellsten Stand halten, andernfalls wäre die Liste schnell veraltet und hätte ihren Sinn verloren
Sollte sich diese Ansicht des LG Köln durchsetzen, würde dies zu einer uferlosen Haftung des Merchants und damit zu einer grundlegenden Verwerfung der deutschen Merchant-Szene führen.
3. Und wie ist nun die Rechtslage? Wie soll ich mich verhalten?
Wichtig festzuhalten ist zunächst, dass der Affiliate durch diese neue Rechtsprechung zunächst vollkommen unberührt bleibt. Das Haftungsrisiko trifft alleine den Merchant.
Insofern kann sich der Affiliate locker zurücklehnen und die weitere Entwicklung abwarten.
Aber auch als Merchant sollte man die Kirche im Dorf lassen und sich nicht verrückt machen. Zum einen, weil bislang lediglich 2 Urteile vorliegen. Es ist überhaupt noch nicht absehbar, wohin die juristische Reise durch die Gerichte geht. Zum anderen ist anzumerken, dass die Entscheidung des LG Köln, anders als die des LG Hamburg, nicht rechtskräftig ist. Die Beklagten-Seite hat schon angekündigt, Berufung einzulegen und notfalls bis vor den BGH zu ziehen. Es ist somit unklar, ob die Kölner Entscheidung auch wirklich dauerhaft Bestand haben wird.