Merchant hat keinen Auskunftsanspruch gegenüber dem Affiliate auf Benennung des tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten

Oberlandesgericht Hamburg

Urteil v. 04.05.2016 - Az.: 8 U 92/15

Leitsatz

Merchant hat keinen Auskunftsanspruch gegenüber dem Affiliate auf Benennung des tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28.08.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
Die Klägerin, die ihren Sitz auf den Seychellen hat, macht Provisionsansprüche aus einem sog. Affiliate-Partnerprogramm des Online-Portals der Beklagten geltend.

Die Beklagte betreibt über www…..com ein Amateur-Erotikportal. Unter ....com bietet die Beklagte sog. Affiliate-Partnerprogramme an. Dabei handelt es sich nach § 2 der AGB der Beklagten um eine internetbasierte Vertriebslösung, bei der ein kommerzieller Anbieter (hier die Beklagte) verschiedene Vertriebspartner (sog. Affiliates) erfolgsabhängig durch eine Provision vergütet. Dabei bewerben die sog. Affiliates die Angebote und Produkte der Beklagten auf ihrer jeweiligen Webseite und erhalten bei einer erfolgreichen Vermittlung der Angebote bzw. Produkte der Beklagten eine vordefinierte Provision.

Die Klägerin registrierte sich am 03.04.2014 zunächst unter Angabe der Daten „C L. NA“ als ein solcher Affiliate auf der genannten Webseite der Beklagten. Auf den Hinweis der Beklagten, dass diese Daten zur Teilnahme an dem Affiliate-Partnerprogramm nicht ausreichend seien, ergänzte die Klägerin ihre Angaben am 09.05.2014 um die Daten „Fa. B.  Seychellen“ und die Angaben eines Schweizer Bankkontos.

Provisionspflichtige Vermittlungen konnte die Klägerin bereits seit dem 03.04.2014 durchführen und erwarb seitdem – unstreitige - Provisionsansprüche für die Monate April 2014 bis März 2015 in Höhe von insgesamt € 6.569,66.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte am 16.08.2015 für die Provisionsansprüche April bis September 2014 ein Versäumnisurteil erwirkt und die Klage nach Einspruch der Beklagten um die Provisionen von Oktober 2014 – März 2015 erhöht.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags und des Wortlauts der Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Beklagte darüber hinaus auch wegen der Provisionsansprüche von Oktober 2014 bis März 2015 antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend:

Ihr stehe ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB zu.

Die Klägerin sei verpflichtetet, Auskunft darüber zu erteilen, wer der wirtschaftlich berechtigte Empfänger der zu zahlenden Provisionsansprüche sei. Diese Verpflichtung bestehe, egal ob als Nebenpflicht oder aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung bei Vertragsschluss. Sie ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte ihrerseits gem. § 160 Abs. 1 AO verpflichtet sei, die Empfänger der Provisionszahlungen zu benennen. Die Beklagte meint, dass es sich bei der Klägerin mit Sitz auf den Seychellen um eine sog. Domizilgesellschaft handele. Es bestehe deshalb die Gefahr, dass die an die Klägerin zu leistenden Provisionszahlungen gem. § 160 Abs. 1 AO nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt würden, wenn die Beklagte nicht die tatsächlichen Empfänger der Zahlungen benennen könne. Insbesondere obliege der Beklagten aufgrund des hier vorliegenden Auslandsbezuges die erweiterte Mitwirkungspflicht des § 90 Abs. 2 AO.

Die zwischenzeitlich durch die Klägerin erteilte Auskunft, der zyprische Staatsangehörige A. C. B. sei als Hauptgesellschafter der Empfänger der Provisionszahlungen, ist nach Ansicht der Beklagten nicht ausreichend, da es sich bei Herrn B. offensichtlich um einen bloßen Treuhänder handele, der genauso wie die Klägerin selbst zwischengeschaltet und daher nicht der tatsächliche Empfänger der Provisionszahlungen im Sinne des § 160 Abs. 1 AO sei. Daher könne die Auskunftsverpflichtung der Klägerin auch nicht durch eine Eidesstattliche Versicherung von Herrn B. erfüllt werden.

Die Auskunft sei unerlässlich, um die Rechte und Interessen der Beklagten zu wahren. Auch sei das Affiliate-Partnerprogramm wirtschaftlich nur dann sinnvoll, wenn die entsprechenden Kosten auch als Betriebsausgaben anerkannt würden.

Die Beklagte habe ihrerseits alles Erforderliche und Mögliche getan, um die den Finanzbehörden zu erteilenden Informationen über die tatsächlichen Berechtigten der Klägerin zu erhalten. Sie habe jederzeit darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin ihrer Nebenpflicht auf Anforderung nachkomme. Einen Anspruch auf Offenlegung der gesellschaftlichen Verhältnisse der Klägerin habe sie sich nicht einräumen lassen müssen.

Die Beklagte beantragt :

In Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 28.8.2015 und in Abänderung des Versäumnisurteils vom 16.3.2015 wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die in Ziff.1 des Versäumnisurteils und in Ziff.2 des angefochtenen Urteils aufgeführten Beträge nur Zug- um -Zug gegen die Bezeichnung des tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten der Klägerin und Herausgabe eines Nachweises darüber zu zahlen; im Übrigen das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass es der Beklagten bereits am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Auch sei der im Berufungsverfahren gestellte Antrag der Beklagten zu unbestimmt. Im Übrigen verteidigt sie das landgerichtliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet

1.Die Berufung ist zulässig.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Die Beklagte hat ein Interesse an der Beseitigung der Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil. Sie vertritt die Auffassung, dass sie den im Wege des Zurückbehaltungsrechts geltend gemachten Auskunftsanspruch besitzt und die bisherige Auskunft der Klägerin auch in Verbindung mit der in der Verhandlung vor dem Landgericht angebotenen eidesstattlichen Versicherung nicht ausreiche, um den Anspruch zu erfüllen. Auch wenn ein solcher Anspruch nach Auffassung des Landgerichts nicht besteht, stellt es keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn die Beklagte diesen Anspruch auch im Wege der Berufung durchzusetzen versucht.

Ob der Antrag der Beklagten für eine Vollstreckung gemäß § 756 ZPO hinreichend bestimmt ist, kann dahinstehen, da die Berufung in der Sache unbegründet ist.

2. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht der Klage ohne Einschränkung stattgegeben.

a) Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, dass dem Zahlungsanspruch der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten im Sinne von § 273 Abs. 1 BGB entgegenstehe, da die Klägerin zur (korrekten) Auskunft, egal ob als Nebenpflicht oder aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung bei Vertragsschluss verpflichtet sei. Denn der Beklagten steht gegen die Klägerin weder ein Auskunftsanspruch aus dem Affiliate-Partnerprogramm-Vertrag noch ein allgemeiner Auskunftsanspruch aus vertraglichen Nebenpflichten iVm § 242 BGB zu.

aa) Eine vertragliche Auskunftspflicht zur Benennung des tatsächlichen Empfängers der Provisionszahlungen besteht nicht. Die Beklagte hat sich weder in den AGBs zum Affiliate-Partnerprogramm-Vertrag noch in sonstiger Weise einen Auskunftsanspruch gegen die Klägerin bei Vertragsschluss vorbehalten oder einräumen lassen. Etwas Gegenteiliges wurde von der Beklagten auch nicht vorgetragen.

bb) Die Klägerin schuldet entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht im Rahmen ihrer vertraglichen Nebenpflichten die von der Beklagten geltend gemachte Auskunft. Denn der Beklagten steht kein allgemeiner Auskunftsanspruch zu. Nur ausnahmsweise kann nach Treu und Glauben für den Schuldner eine Auskunftspflicht bestehen, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BGH, Urt. v. 13.12.2001 - I ZR 44/99, Rn.22, 23, zit. nach juris; Palandt-Ellenberger, BGB, 75.Aufl., § 260 Rn. 4). Die geforderten Angaben müssen zur Erreichung des Vertragszwecks unbedingt erforderlich sein (vgl. auch BGH a.a.O.). Verlangt werden können daher insbesondere nur solche Angaben, die für die Geltendmachung des Hauptanspruchs auch tatsächlich benötigt werden.

Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Landgericht mit Recht verneint, dass zur Abwicklung des Affiliate-Partnerprogramms eine Auskunft über die Frage, ob hinter der Klägerin weitere Personen stehen, denen die Provisionszahlungen zugutekommen, erforderlich ist.

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte gem. § 160 Abs. 1 AO gegenüber dem Finanzamt die steuerrechtliche Pflicht trifft, den (wahren) Empfänger von Betriebsausgaben zu benennen und bei der Ermittlung von Auslandssachverhalten iSd § 90 Abs. 1 AO mitzuwirken. Denn in diese etwaigen steuerlichen Mitwirkungs- und Benennungspflichten ist die Klägerin nicht mit einbezogen. Die Klägerin ist nicht „Beteiligte“ im Sinne des 90 Abs.1 AO bei der Besteuerung der Beklagten ( s. dazu § 78 AO ).

Auch steht dem nicht entgegen, dass derartige Affiliate-Partnerprogramme für die Beklagte nur wirtschaftlich sinnvoll sind, wenn die entsprechenden Kosten auch als Betriebsausgaben anerkannt werden. Ökonomische Gesichtspunkte können für sich genommen keine allgemeine Auskunftspflicht begründen.

Ohne Erfolg bleibt der Einwand, dass die Klägerin verpflichtet sei, auf die steuerliche Mitwirkungs- und Benennungspflicht der Beklagten gem. §§ 90 Abs. 2, 160 Abs. 1 AO Rücksicht zu nehmen. Es gehört zum alleinigen Verantwortungsbereich der Beklagten, ihre Rechtsgeschäfte so durchzuführen, dass sie (auch) ihre steuerlichen Pflichten erfüllen kann. Die Beklagte hätte sich zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten beispielsweise im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Identität ihres Geschäftspartners vergewissern und sich gegebenenfalls bereits bei Vertragsschluss für den Fall eines entsprechenden Auskunftsersuchens des Finanzamts nach §§ 90 Abs. 2, 160 Abs. 1 AO einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Offenlegung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Klägerin einräumen lassen können (vgl. auch BFH, Urt. v. 09.04.1987 – IV R 142/85 –, Rn. 13, zitiert nach juris; FG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2002 – 6 K 5596/99 K, BB –, Rn. 24, zitiert nach juris; FG Köln, Urt. v. 06.03.2003 – 13 K 301/01 –, Rn. 8, 30, 34 zitiert nach juris; FG Hamburg, Urt. v. 28.09.2007 – 6 K 202/04 –, Rn. 46, zitiert nach juris.). Dies folgt, wie das Landgericht zu Recht erkannt hat, auch aus § 90 Abs. 2 Satz 4 AO selbst, wonach sich ein Beteiligter nicht darauf berufen kann, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

Ohne Überzeugungskraft ist der Einwand der Berufung, die Beklagte habe ihrerseits alles Erforderliche getan, um etwaigen steuerrechtlichen Verpflichtungen zu genügen. Insbesondere hat die Beklagte eine Identitätsprüfung oder die Einräumung eines Auskunftsanspruchs bei Vertragsschluss versäumt. Obwohl schon die erste Anmeldung der Klägerin am 03.04.2014 unter dem Namen „C. L.“ den Geschäftsbedingungen der Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag nicht entsprach, konnte die Klägerin unstreitig bereits wirksam Provisionsansprüche erwerben. Auch als der Beklagten am 9.5.2014 bekannt gegeben wurde, dass es sich bei der Klägerin um eine Gesellschaft auf den Seychellen handelt, konnte diese weiterhin Provisionsansprüche erwerben. Erst nach Vertragsschluss versuchte die Beklagte vergeblich den (wahren) Empfänger der Leistungen zu erfahren. Es ist das Risiko der Beklagten, wenn die Klägerin die tatsächlichen Empfänger der Leistungen nicht bekannt geben möchte (vgl. auch BFH, Urt. v. 10.11.1998 – I R 108/97 –, Rn. 16, zitiert nach juris.). Jeder Steuerpflichtige, der sich auf Geschäfte mit auf den Seychellen ansässigen Gesellschaften einlässt, ist sich der Gefahr bewusst bzw. müsste sich der Gefahr bewusst sein, dass auf den Seychellen ansässige Gesellschaften nicht selten zur Umgehung der Steuerpflicht von Inländern eingeschaltet werden (vgl. auch BFH, Urt. v. 10.11.1998 – I R 108/97 –, Rn. 16, zitiert nach juris.). Der Steuerpflichtige hätte sich auf ein solches Geschäft gar nicht erst einlassen müssen (vgl. FG Köln, Urt. v. 06.03.2003 – 13 K 301/01 –, Rn. 30 zitiert nach juris). Tut er dies dennoch und lehnt der Vertragspartner die Angaben ab, liegt die Unkenntnis über den Empfänger der Leistung allein im Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen (vgl. auch FG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2002 – 6 K 5596/99 K, BB –, Rn. 24, zitiert nach juris; BFH, Urt. v. 09.04.1987 – IV R 142/85 –, Rn. 13, zitiert nach juris).

Die Beklagte hätte darüber hinaus nach § 3 Nr.4 ihrer AGB den Vertrag mit der Klägerin jederzeit ohne Frist durch schriftliche Mitteilung beenden können. Obwohl die Parteien bereits seit Mai 2014 darüber uneins waren, ob die Beklagte weitere Nachweise beanspruchen könne, machte die Beklagte von der Möglichkeit der jederzeitigen Vertragsbeendigung keinen Gebrauch, sondern ließ noch bis Mitte März 2015 weitere provisionspflichtige Tätigkeiten der Klägerin zu. Umso mehr erscheint es im vorliegenden Fall gerechtfertigt, das Risiko der fehlenden steuerlichen Absetzbarkeit der Provisionen der Beklagten zuzuweisen.

b) Selbst wenn man aber eine Auskunftsverpflichtung der Klägerin über den tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten der Provisionszahlungen annehmen wollte, wäre dieser Anspruch durch Erfüllung erloschen. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung noch einmal klargestellt, dass ihre Ausführungen ( s. insbesondere S.2 des Schriftsatzes vom 17.7.2015, Bl.112 ) so zu verstehen sind, dass Herr Bo. als alleiniger Gesellschafter der Klägerin auch der wirtschaftlich Berechtigte hinsichtlich der Provisionszahlungen ist.

Soweit die Beklagte zusätzlich die Vorlage eines Nachweises über die Richtigkeit dieser Auskunft begehrt, steht ihr ein solcher Anspruch jedenfalls über die von der Klägerin bereits vorgelegten Belege hinaus nicht zu ( Anlagen Kl 16 – 19 ). Grundsätzlich besteht bei dem Auskunftsanspruch aus § 242 BGB überhaupt keine Verpflichtung zur Vorlage von Belegen, es sei denn, der Gläubiger ist hierauf angewiesen und dem Schuldner ist dies zuzumuten ( Palandt-Grüneberg, BGB, 75.Aufl., § 260 Rn.15 m.w.N. ). Die Beklagte bezweifelt zwar die Richtigkeit der Auskunft der Klägerin, hat aber nicht dargelegt, weshalb die Auskünfte und Belege der Klägerin für die Anerkennung durch das Finanzamt nicht ausreichen. Dies genügt nicht, um einen Anspruch auf weitere Belege zu begründen.

Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar, § 543 Abs. 2 ZPO.