Mitstörerhaftung des Multi-Level-Marketing-Unternehmens für Spam-Mails
Leitsatz
Ein Multi-Level-Marketing-Unternehmen haftet für die von seinen Vertriebspartnern versendeten Spam-Mails als Mitstörer, da es durch das Setzen der finanziellen Anreize Mitverursacher ist (in Anlehnung an LG Berlin, Urt. v. 08.02.2006 - Az: 15 O 710/05)
Tenor
In der einstweiligen Verfügungssache (...) wird im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, gemäß §§ 935 ff., 91 ZPO angeordnet:
1. Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Vorstand, untersagt, zum Zwecke der Werbung mit dem Antragssteiler per E-Mail Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, ohne dass dessen Einverständnis vorliegt oder zu vermuten ist.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.
Der Antragssteller hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin sich zum Vertrieb ihrer Waren u.a. des selbständigen Handelsunternehmers (...) bedient und dieser dem Antragsteller unverlangt am 11.2.2007 eine E-Mail betreffend Werbung für ein Produkt der Antragsgegnerin zusandte.
II.
Die Werbung verstößt gegen §§ 823, 1004 BGB und ist daher zu unterlassen. Das Zusenden von E-Mail-Werbung stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) des Adressaten dar, wenn - wie hier - nicht dessen ausdrückliches oder mutmaßliches Einverständnis vorliegt (vgl. Kammer in: MDR 2001, 391). Denn vergleichbar der unerwünschten Telefax-Werbung wird die negative Informationsfreiheit des Adressaten unzumutbar beeinträchtigt (LG Berlin - ZK 16 - NJW 2002, 2569, 2570 m. w. N.).
Hinzu kommt, dass diese Werbemethode wegen ihrer geringen Kosten und ihres minimalen Aufwands den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich trüge, ließe man sie zu, während die Adressaten sich einer unübersehbaren Flut von Werbe-E-Mails gegenübersähen, unter denen die eigentlichen Nachrichten unterzugehen drohten.
Die Antragsgegnerin ist für die Werbung ihres Vertriebspartners verantwortlich. Das Gericht verweist insoweit auf eine Entscheidung der Kammer vom 8.2.2006 - 15 O 710/05 -, in der folgendes ausgeführt ist:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es, um ein Ausufern der Störerhaftung zu vermeiden, ferner erforderlich, dass der in Anspruch Genommene einer ihn treffenden Prüfungspflicht nicht genügt hat (vgl. BGHZ „Internet-Versteigerung“, a.a.O.; ferner BGHZ 148, 13 = GRUR 2001, 1038 = WRP 2001, 1305 „ambiente.de“). Auch diese Voraussetzung ist vorliegend zu bejahen.
In seiner Entscheidung unter dem Stichwort „ambiente.de“ (a.a.O.) hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die private Organisation (...), die für die Registrierung von Domain-Namen unter der Top-Level-Domain „de“ zuständig ist, ausgeführt, diese Organisation, die keine eigenen Zwecke verfolge, ohne Gewinnerzielungsabsicht handele und Aufgaben übernommen habe, die, wie teilweise im Ausland, weil im Allgemeininteresse liegend ansonsten von staatlichen Stellen erfüllt werden müssten, habe ein überragendes und rechtlich schützenswertes Interesse daran, das Registrierungsverfahren insbesondere dadurch effektiv zu gestalten und eine möglichst schnelle und preiswerte Registrierung zu gewährleisten, dass sie die angemeldeten Domain-Namen in einem automatisierten Verfahren allein nach dem Prioritätsprinzip vergebe, ohne dabei zu prüfen, ob an der angemeldeten Bezeichnung Rechte Dritter bestünden. Die Prüfung habe sich daher auf offenkundige, aus der Sicht der Registrierungseinrichtung eindeutige Rechtsverstöße zu beschränken; (...) sei regelmäßig nur dann verpflichtet, die Registrierung eines Domain-Namens abzulehnen oder aufzuheben, wenn für sie unschwer erkennbar sei, dass die Nutzung dieses Domain-Namens Rechte Dritter beeinträchtige.
In der Entscheidung „Internet-Versteigerung“ (a.a.O.) hat der Bundesgerichtshof zur Prüfungspflicht eines Unternehmens, das eine Internetplattform für private und gewerbliche Fremdauktionen zur Verfügung stellt und hierfür eine Vergütung erhält, im Falle einer Markenverletzung durch das Angebot gefälschter Ware die Auffassung vertreten, es sei dem Betreiber der Internetplattform nicht zumutbar, jedes in einem automatisierten Verfahren unmittelbar in das Internet gestellte Angebot darauf zu prüfen, ob Schutzrechte Dritter verletzt würden.
Weiter hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass dann, wenn dem Unternehmen ein Fall einer Markenverletzung bekannt werde, es nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch ihm technisch mögliche und zumutbare Maßnahmen ergreifen müsse, um Vorsorge dafür zu treffen, dass es nicht zu weiteren entsprechenden Markenverletzungen komme. Begründet hat das Gericht die in diesem Falle weitergehenden Prüfungs- und Handlungspflichten damit, dass die Interessen des die Internetplattform betreibenden Unternehmens an einen reibungslosen Ablauf der Veräußerungsvorgänge deswegen zurückzutreten hätten, weil Berücksichtigung finden müsse, dass das Unternehmen an den Verkäufen wirtschaftlich partizipiere.
In Ansehung des Umstandes, dass die Antragsgegnerin die Werbung über die Affiliate-Partner ausschließlich im eigenen ökonomischen Interesse betreibt, mag es, was die Kammer jedoch dahinstehen lässt, bereits zweifelhaft erscheinen, ob nicht jedenfalls grundsätzlich von der Antragsgegnerin eine der Veröffentlichung von Werbung durch die Affiliate-Partner vorangehende Prüfung zu erfolgen hat.
Zumindest ist jedenfalls von der Antragsgegnerin zu verlangen, dass sie dann, wenn ihr Rechtsverletzungen durch in ihrem Interesse unternommene Werbemaßnahmen eines Affiliate-Partners bekannt werden, sie sich nicht darauf beschränken darf, die konkrete Werbemaßnahme zu unterbinden und beispielsweise durch Beendigung der Beziehung zu diesem Affiliate-Partner Wettbewerbsstörungen durch diesen für die Zukunft auszuschließen. Vielmehr ist sie nach Auffassung der Kammer verpflichtet, umgehend im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren die Maßnahmen zu ergreifen, die entsprechende Wettbewerbsverstöße durch die anderen Affiliate-Partner verhindern.
Dies ist zunächst einmal die unmissverständliche Aufklärung aller Affiliate-Partner, dass Werbung zugunsten der Antragsgegnerin durch unverlangte Übersendung von E-Mails zu unterbleiben hat. Eine entsprechende Verpflichtung ist in die zwischen den Affiliate-Partnern und dem jeweiligen Affiliate-Diensteanbieter geschlossenen Verträge aufzunehmen, um die Ernsthaftigkeit des Verbots zu unterstreichen, ist das vertragliche Verbot durch ein Vertragsstrafeversprechen zu sichern.
Darüber hinaus ist nach Ansicht der Kammer die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung durch die Antragsgegnerin durch Stichproben zu überwachen.
Wie im Einzelnen die vertragliche Absicherung und die Überwachung erfolgen, ob Vertragsstrafen unmittelbar zugunsten der Antragsgegnerin und damit zugleich als eine Art pauschalierter Schadensausgleich oder aber zugunsten des Affiliate-Diensteanbieters vereinbart werden, ist Sache der Antragsgegnerin. Sie hat dabei jedoch zu beachten, dass sie nicht durch Outsourcen sich von der Haftung für ihre Werbung befreien kann (vgl. zum Umfang der Pflichtigkeit auch BGHZ 144, 200 = NJW 2000, 2901 ; Z 106, 229 = GRUR 1989, 225 „Handzettel-Wurfsendung“).
Diese Erwägungen sind auf den vorstehenden Fall zu übertragen, da der Vertriebspartner der Antragsgegnerin aufgrund der offenbar vertraglichen Einbindung in deren ausgefeiltes Vertriebssystem einem Affiliate-Partner im wesentlich gleichsteht. Die Antragsgegnerin sah sich aber auch nach dem anwaltlichen Schreiben des Antragstellers vom 18.2.2007 nicht veranlasst Maßnahmen gegenüber ihrem Vertriebspartner zu ergreifen.
Die Dringlichkeit ist gem. § 940 ZPO unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung drohender Gewalt zu bejahen; darunter fällt auch jede unerlaubte Handlung (Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 940 Rnr. 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Verfahrenswert beträgt wegen der offenbar gewerblichen und massenhaften Vorgehensweise der Antragsgegnerin nach der neueren Praxis der Berliner Wettbewerbskammern in der Hauptsache € 7.500 und somit im einstweiligen Verfahren € 5.000,00.