Keine Mitstörerhaftung des Merchants für seinen Affiliate
Leitsatz
Einem Merchant ist es weder technisch möglich noch wirtschaftlich zumutbar, ohne konkrete Anhaltspunkte die Handlungen seiner Affiliates vorab zu kontrollieren und jede von diesen betriebene Internetseite auf mögliche Verletzungen Markenrechte anderer Dritter im Zusammenhang mit seinen Werbematerialien zu untersuchen.
Tenor
In dem Rechtsstreit (...)
des Herrn (...) als Inhaber der Firma (...),
- Kläger -
Proz.-Bev.:
gegen Herrn (...)
- Beklagter -
hat das Landgericht Frankfurt a.M. (...) für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass Herr (...) wegen der Zahlung eines Rechtsanwaltshonorars in Höhe von € 1.358,24 an den Rechtsanwalt (...) gemäß einer mit Schreiben vom 06.05.04 an (...) als Inhaber der Firma (...) übermittelten Kostennote gegen (...) als Inhaber der Firma (...) [ein Anspruch] nicht zusteht.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 2.500,00 vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt
Der Beklagte ist Inhaber der Marke (...), unter welcher er bundesweit Tintenpatronen, Lasertoner, Refill-Systeme und Druckerpapier vertreibt.
Der Kläger betreibt im Internet unter der Domain (...) einen Online-Shop, über welchen er ebenfalls bundesweit Tintenpatronen, Lasertoner und Refill-Systeme anbietet.
Er ist mit seiner Firma Vertragspartner der Firma Affilinet GmbH, deren Geschäftsfeld das sog. Affiliate-Marketing ist.
Im Rahmen dieser Vertragsbeziehung erklärte er seine Zustimmung, dass auf der von Herrn (...) betriebenen Internetseite mit der selbstgewählten Inhaltangabe (...) Werbematerialien (Banner, Textlinks) von ihm eingefugt werden können. Auch die Firma (...) hatte sich über die Firma Affilinet GmbH für Werbung der klägerischen Firma interessiert und sich dort mit der Seite (...) angemeldet.
Um in der Folgezeit für diese "Traffic zu generieren", verwandte sie auch die ehemals für den Beklagten als ursprünglichen Kunden vorgesehene Seite (...). Dabei unterließ es einer ihrer Mitarbeiter versehentlich, die Bezeichnung (...) von dieser Seite zu entfernen.
Mit Anwaltsschreiben vom 05.05.2004 zeigte Rechtsanwalt (...) gegenüber dem Kläger an, die Interessen des Beklagten zu vertreten und mahnte ihn unter Versicherung der anwaltlichen Bevollmächtigung wegen Verletzung des Kennzeichens (...) des Beklagten ab. Zugleich forderte er den Kläger unter Fristsetzung auf, eine entsprechende Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben und die durch seine Einschaltung entstandenen Kosten gemäß der anliegenden Kostenberechnung vom 06.05.2004 in Höhe von € 1.170,90 netto zu erstatten.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Auf der Internet-Seite (...), einer Shopping-Informationsplattform im Internet, findet sich unter der Rubrik "Tinten - Toner - Papier" ein Link mit der Bezeichnung (...). Folgt man diesem Link, gelangt man auf die Seite (...), auf welcher sich die Anzeige "Jetzt wirklich sparen! - Drucker-Zubehör vom Online-Discounter, Kompatible Tintenpatronen für viele Drucker bei uns jetzt schon ab 1.99 Euro ...Schneller Versand...ISO 9001 Qualitätswaren...Jetzt testen!" sowie das Banner "Tintenpatronen ab 1,99 €" befinden.
Beim Anklicken dieser Anzeigen gelangt man auf die Internetseite des Klägers (...). Inhaber der Domain (...) ist nach Auskunft der Denic-Datenbank (...), administrativer Ansprechpartner ist (...).
Die Marke (...) wurde zusätzlich in den Metatags der Webseite (...) bei der sog. Meta Name Description verwendet, deren Inhaber nach der Denic-Datenbank (...) ist. Bei Aufruf des Suchergebnisses "Laserdrucker Toner, die alle Dimensionen sprengen Laserdrucker Toner von (...) zum laserscharfen Preis. Der Klick zu Ihrem Toner.(...)", welches nach Eingabe des Suchwortes (...) unter der Suchmaschine yahoo.de erscheint, soll nach Darstellung des Beklagten eine Weiterleitung auf die Seite des Klägers stattfinden.
Mit Schreiben vom 14.05.2004 gab der Kläger die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ab. Zugleich lehnte er die Erstattung der geforderten Anwaltskosten für die Abmahnung ab und forderte den Beklagten auf, schriftlich mitzuteilen, dass dieser Anspruch nicht bestehe. Diese Mitteilung erfolgte nicht.
Der Kläger behauptet, er habe auf der Seite (...) keine Werbung betrieben, insbes. nicht die o.g. Anzeigen geschaltet. Ebenso wenig habe er den Markennamen des Beklagten in die Metatags der Seite (...) oder deren Subseiten eingestellt. Er unterhalte den Inhabern dieser Domains keinerlei Geschäftsbeziehung. Die Verwendung des Markennamens (...) auf diesen Internetseiten sei ohne seine Kenntnis und Einwilligung erfolgt.
Der Kläger beantragt, wie erkannt.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die angekündigte Widerklage, den Kläger zu verurteilen, an ihn € 2.693,268 zu zahlen, hat er in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2005 zurückgenommen.
Der Beklagte behauptet, es existiere kein Auftrag gegenüber Rechtsanwalt (...) Abmahnschreiben an den Kläger zu richten.
Ferner ist er der Ansicht, der Kläger habe im Rahmen der Internetseiten (...) und (...) den Markennamen (...) unbefugt verwendet zum Hinweis auf sein eigenes Internetangebot. Dieser hafte zumindest als Mitstörer im Falle der Präsentation seines Links auf den Internetseiten von (...) bzw. bei der Präsentation seines Unternehmens durch eine Weiterleitung im Rahmen eines Affiliate-Systems, wie dies im Rahmen des Suchergebnisses bei Yahoo.de der Fall war.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Das für die negative Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass der Beklagte sich mit Anwaltsschreiben vom 05.05.2004 ernstlich eines Rechts auf Erstattung der Abmahnkosten gegenüber dem Kläger berühmt hat.
Der Passivlegitimation des Beklagten steht auch nicht entgegen, dass - wie er behauptet - das Anwaltsschreiben vom 05.05.2004 von Rechtsanwalt (...) ohne entsprechende Beauftragung durch ihn gefertigt worden sein soll. Denn der Beklagte hat auch während des Prozesses an seinem Standpunkt festgehalten, dass ihm ein Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten gegenüber dem Kläger zusteht.
Ein solcher Anspruch besteht indes weder unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 670, 677, 683 BGB noch nach §§ 14 V, 15 MarkenG.
Der Kläger hat eine Verletzung der Kennzeichenrechte des Beklagten weder eigenverantwortlich noch unmittelbar selbst begangen.
Unstreitig werden die Internetseiten (...) sowie (...) nicht vom Kläger betrieben. Dass der Kläger selbst im Rahmen dieser Internetseiten die Marke (...) des Beklagten unbefugt zum Hinweis auf sein eigenes Internetangebot benutzt bzw. in die Metatags der Internetseite (...) oder der Subseiten eingestellt hat und damit durch eine eigene Tätigkeit die Merkmale einer Markenverletzung erfüllt hat, wurde seitens des Beklagten nicht nachgewiesen.
Der Kläger ist auch nicht für die von seinen Werbepartnern - Herrn (...) und der Firma (...) - begangene Markenverletzung verantwortlich. Bei diesen handelt es sich weder um weisungsgebundene Angestellte noch sonstige Beauftragte des Klägers, insbes. wurden sie im Rahmen des sog. Affiliate-Marketing nicht dessen Vertragspartner. Auch eine vorsätzliche Teilnahme des Klägers an der durch seine Werbepartner begangenen Markenverletzung scheidet aus.
Voraussetzung hierfür wäre ein bedingter Vorsatz auf Seiten des Klägers, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss. Wie dieser unwidersprochen vorgetragen hat, war ihm jedoch weder die Verwendung des Markennamens (...) auf den Internetseiten (...) bzw. (...) bekannt noch der Umstand, dass Herr (...) seine Werbematerialien auf einer anderen Seite als der Website (...) eingestellt hat.
Dass Verhalten des Klägers begründet auch keine Haftung als Störer im Sinne der kennzeichenrechtlichen Grundsätze. Als Störer kann danach auch derjenige, der - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt, für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden [BGH NJW 2004, 3102 -Internetversteigerung].
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger zu der von seinen Werbepartnern begangenen Markenverletzung einen kausalen Beitrag geleistet hat. Dem unwidersprochenen Vorbringen des Klägers zufolge hat er lediglich seine Zustimmung zur Einstellung seiner Werbemittel für die von Herrn (...) betriebene Internetseite (...) erteilt, welcher sodann offensichtlich eigenmächtig die Werbematerialien des Klägers für die Domain (...) genutzt hat, mit der er sich bei der Affillinet GmbH nicht direkt angemeldet hatte.
Gleichermaßen entzieht sich die Gestaltung der gesamten Internetseite (...) vollständig dem Einflussbereich des Klägers.
Des Weiteren fehlt es mangels einer entsprechenden Kenntnis bereits an dem Tatbestandsmerkmal der "willentlichen" Mitwirkung seitens des Klägers.
Darüber hinaus setzt eine Haftung als Störer weiter die Verletzung von Prüfungspflichten voraus.
Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist.
Dies richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen einerseits und der Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, andererseits [BGH GRUR 2003, 969; 1997, 313 (315)].
Vorliegend ist es dem Kläger im Rahmen des sog. Affiliate-Marketing indes weder technisch möglich noch wirtschaftlich zumutbar, ohne konkrete Anhaltspunkte die Handlungen seiner Werbepartner vorab zu kontrollieren und jede von diesen betriebene Internetseite auf mögliche Verletzungen Markenrechte anderer Dritter im Zusammenhang mit seinen Werbematerialien zu untersuchen. Nachdem der Kläger mit Abmahnschreiben vom 05.05.2004 über die Verletzung von Schutzrechten des Beklagten durch seine Werbepartner in Kenntnis gesetzt worden war, hat er unverzüglich die darin geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
Damit scheidet seine Haftung als Störer aus.
Da der Kläger für die von seinen Werbepartner begangene Markenverletzung nicht als Störer haftet, kann er auch nicht aus § 8 i.V.m. § 3 UWG, §§ 12, 823, 1004 BGB in Anspruch genommen werden.
Damit ist die Abmahnung vom 05.05.2004 zu Unrecht erfolgt, so dass es an der rechtlichen Grundlage für einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 269 III ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.